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aus der Zeitung „Offene Worte” der Partei DIE LINKE Kreisverband Barnim vom 20.08.2008:

Wie viel Sparen verträgt unsere Busgesellschaft?



Text Veiko Kunkis

Beim Betriebsratsvorsitzenden Klaus Gröhler geben sich besorgte Kolleginnen und Kollegen der Barnimer Busgesellschaft (BBG) und ihrer Billigtochter Verkehrsservicegesellschaft (VSG) in diesen Tagen die Klinke in die Hand. BBG und VSG sollen sparen. Vor allem zu Lasten der Mitarbeiter.

Unter dem Vorwand, die BBG wettbewerbsfähig machen zu wollen, war Geschäftsführung und Mitarbeitern in den letzten Jahren schon einiges zugemutet worden. Zuletzt hatte CDU-Vizelandrat und Wirtschaftsdezernent Carsten Bockhardt - übrigens gegen den Protest der LINKEN - zwei insgesamt 75.000 € teure Gutachten in Auftrag geben lassen. Die Einsparpotenziale, die den Geschäftsführern von BBG und VSG darin benannt werden, klingen eher nach Abwicklung denn nach Zukunft: Löhne senken, Berufsausbildung und Personalentwicklung abschaffen. Ein zukunftsorientiertes Unternehmen sieht anders aus.

Dennoch haben Aufsichtsrat und Eigentümer (der SPD-/CDU-geführte Landkreis) die Geschäftsführung beauftragt, auf dieser Grundlage einen Restrukturierungsplan zu erarbeiten. „Das tun wir jetzt”, sagt BBG-Geschäftsführer Frank Wruck. Setze man die Vorschläge der Gutachter um, müsse man eine schlechtere Qualität der Leistungen der BBG in Kauf nehmen. Ein Teil der Maßnahmen, so Wruck, werde sogar die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der BBG verschlechtern.

Schon jetzt würden 50.000 Busfahrer in der Bundesrepublik gesucht. „Wir hatten sehr bewusst die Ausbildung von Kfz.-Mechatronikern auf Berufskraftfahrer umgestellt, um diesem absehbaren Fachkräftemangel entgegenzuwirken”, sagt Wruck.

Andere Empfehlungen der teuren Gutachter sind so einfallsreich wir diese: Busse seltener reinigen, Sicherheitsüberprüfungen der Fahrzeuge auf ein Minimum reduzieren, Marketing praktisch abschaffen. Auch die Dienstkleidung der Busfahrer soll eingespart werden.

»Gegen den Protest der LINKEN wurden Gutachten für 75.000 € in Auftrag gegeben.«


Drohen nun schmutzige, ungepflegte Fahrzeuge, die Schließung des Kundenzentrums im Paul-Wunderlich-Haus und schlimmstenfalls Busfahrer im Jogginganzug? Der Restrukturierungsplan werde jedoch verschiedene Einsparmaßnahmen vorschlagen, zu denen sich der Eigentümer, also der Landkreis, positionieren müsse. Er sagt aber auch: „Der Konkurrent im Wettbewerb ist nicht nur ein mögliches anderes Verkehrsunternehmen, sondern auch das Fahrrad, Auto oder der Fußweg. Wenn die Qualität nicht stimmt oder er sich nicht sicher fühlt, wird der Kunde ein anderes Verkehrsmittel wählen.”

»Die Beraterfirma der BBG ist mit der Hamburger Hochbahn eng verbunden, die Brennstoffzellenbusse einsetzt. Und auch den Obus in Eberswalde durch diese ersetzen wollte.«


In Brandenburg verdrängen private Verkehrsunternehmen zunehmend kommunale Betriebe. Bei zu erwartenden Renditen von 8 Prozent und mehr kein Wunder. Frank Wruck sieht gerade hier aber auch gute Chancen für das Fortbestehen der BBG: „Ein gut geführtes kommunales Unternehmen muss die gleiche Effektivität erreichen wie ein privates Unternehmen. Wenn dies erreicht wird, ist es wegen der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht auch für den Landkreis preiswerter.” Er warnt aber zugleich: „Bei einem Vergleich muss aber auch von einer gleichen Qualität ausgegangen werden. Wenn das nicht erreicht werden kann, muss man sich zwangsläufig von diesem Unternehmen trennen, da es nicht am Markt bestehen kann. ”

Folgt die BBG dem Gutachten, wird es für die Mitarbeiter sehr schmerzhaft. 30 Stellen sollen wegfallen, überwiegend in der Verwaltung. Ab 01.01.2009 sind auch betriebsbedingte Kündigungen möglich: „Wir werden sozialverträglichen Lösungen dem Vorrang geben”, verspricht Frank Wruck, schließt betriebsbedingte Kündigungen aber „in Einzelfällen” auch nicht aus. Die Berater empfehlen zudem, BBG-Busfahrer gegen Zahlung einer Abfindung zum Wechsel in die VSG zu drängen. Die Busfahrer der Billigtochter bekommen rund 1650 € brutto, Altbeschäftigte der BBG rund 2000 €. Frank Wruck glaubt nicht, dass viele Mitarbeiter freiwillig darauf eingehen werden. Der andere Weg, die Personalkosten zu senken, sorgt inzwischen für viel Aufregung im Betriebsrat und hat den zuständigen Landesbezirksfachleiter Jens Gröger auf den Plan gerufen. Die Beschäftigten sollen eine Stunde weniger arbeiten und auch entsprechend weniger Geld bekommen. Für Gröger nicht akzeptabel:„Wir haben in den vergangenen fünf Jahren genug dazu beigetragen, den Unternehmen am Markt eine Chance zu geben”, sagt er. Betriebsratschef Klaus Gröhler hält einen weiteren Verzicht auf Geld für viele Mitarbeiter gar nicht mehr machbar, „Viele standen in den letzten Tagen bei mir in der Tür und sagten: Klaus, es geht nicht mehr.”

Der Spardruck geht von CDU-Wirtschaftsdezernent Carsten Bockhardt aus, dem ein privates Unternehmen ohnehin lieber wäre als ein kommunales. Hinter vorgehaltener Hand bedauert er gern, dass es dafür derzeit leider keine politischen Mehrheiten gäbe. Bockhardt war es auch, der lieber heute als morgen den Eberswalder Obus beerdigt gesehen hätte und seine Verwaltung dafür ein weiteres teures Gutachten bezahlen lies. Dessen Empfehlung, nämlich die Obusse durch Brennstoffzellenbusse zu ersetzen, wurde ín der Fachwelt allerdings nur amüsiert belächelt. Dennoch gibt es bis heute kein klares Bekenntnis des Landkreises zum Obus. Die BBG bringt genau das gerade jetzt wieder in Schwierigkeiten: Ein unterlegener Mitbewerber hat gegen die Vergabe der Barnimer Linienkonzessionen an die BBG Widerspruch eingelegt. Er bezweifelt unter anderem, das die BBG den Obus langfristig betreiben will. Die gültigen Konzessionen für die BBG laufen am 31.12.2008 aus. Für die Beschäftigten ist die Zukunft damit ungewisser denn je. Die Beratungsfirma, die unsere Busgesellschaft begutachtet hat, ist mit der Hamburger Hochbahn eng verbunden. Diese Verkehrsgesellschaft setzt nicht nur Brennstoffzellenbusse im Modellversuch ein, sondern hat auch eine Tochtergesellschaft für Beteiligungen außerhalb Hamburgs. Sie heißt BENEX und betreibt Regionalbusnetze in Kiel, Lübeck und Fulda.